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Schuldscheindarlehen Update: Dezember 2020

Das erhoffte Feuerwerk zum Jahresende ist ausgeblieben, und das nicht nur am Himmel sondern auch im Schuldscheinmarkt. Im Dezember waren deshalb nur wenige Lichtblicke zu sehen. Kaum Neuemissionen, Zurückhaltung auf Emittentenseite und nach wie vor große Unsicherheit prägen das Schuldscheinsegment.

Ein geringes Angebot trifft auf ausreichend Nachfrage

Einige Deals gab es dennoch im Dezember. So konnte das Technologieunternehmen Freudenberg Anfang Dezember 500 Millionen Euro über den Schuldscheinmarkt aufnehmen. Die Tranchen haben kurze bis mittlere Laufzeiten, die Spreads sind aber durchaus im niedrigen Bereich: 3 Jahre bei 80-100bp, 5 Jahre bei 100-120bp und 7 Jahre bei 125-145bp. Wie angekündigt kam danach die Kaufhauskette Globus mit 50 Millionen Euro an den Markt (5 Jahre bei 120-135bp und 7 Jahre bei 140-155bp). Erstmals am Schuldscheinmarkt vertreten war die Kaufhauskette Edeka mit 400 Millionen Euro und einer großen Bandbreite an Laufzeiten (3 Jahre bei 75-90bp, 4 Jahre bei 85-100bp, 5 Jahre bei 95-110bp, 7 Jahre bei 110-125bp und 10 Jahre bei 125-140bp).

Stadtwerke Halle mit einer Besonderheit

Eine kleine Besonderheit konnten wir aus der Gruppe der Stadtwerke sehen. Die Stadtwerke Halle konnten besonders lange Laufzeiten platzieren, wie wir sie sonst nur von Länderschuldscheinen kennen. Die Emission selbst war mit 80 Millionen Euro nicht übermäßig groß, hatte aber sehr lange Laufzeiten bis 25 Jahre. Die Spreads lagen gerade bei den längeren Laufzeiten relativ hoch und alle Tranchen ab 12 Jahren waren mit Kuponfloors ausgestattet. Die 8 Jahre gab es bei 80-100bp und einem Floor von 0%, die 10 Jahre bei 100-120bp, ebenfalls einem Floor von 0%. Die 12 Jahre lagen bei 120-140bp und einem Mindestkupon von 1,25%, die 15 Jahre bei 145-165bp mindestens 1,5%, 20 Jahre bei 190-210bp mindestens 2% und die 25 Jahre wurden bei 240-260bp und mindestens 2,5% begeben.

Nachhaltigkeits-Schuldscheindarlehen oder Green Washing?

Mit 200 Millionen Euro konnte sich auch die Dürr AG über frisches Geld aus dem Schuldscheinmarkt freuen. Sie begab ein Darlehen mit dem Namen „Nachhaltigkeitsorientiertes Schuldscheindarlehen“ und weist in ihrer Presseaussendung auf die Wichtigkeit dieser Komponente für die Nachfrage bei Investoren hin. Allerdings dienen die 200 Millionen Euro ausschließlich der Refinanzierung einer im April 2021 fällig werdenden Unternehmensanleihe. Das frische Geld fließt also keineswegs in nachhaltige Projekte, sondern ist eine reine Refinanzierung für allgemeine Unternehmenszwecke. Den Bezug zur Nachhaltigkeit versuchen die Dürr AG und die begleitenden Banken damit zu erklären, dass ein minimaler Anteil der Verzinsung an die Entwicklung des Nachhaltigkeitsratings der Dürr AG geknüpft ist. Abgesehen davon ist das Nachhaltigkeitsrating, das von EcoVadis vergeben wird, nicht unabhängig nachprüfbar noch einsehbar. Die Investoren, die nach Angabe des Unternehmens vor allem Sparkassen und Volksbanken sind, scheint es nicht zu stören, dass ihr Geld nicht in nachhaltige Projekte fließen wird. Die Dürr AG freut sich dennoch über einen Nachhaltigkeitsabschlag bei den Kupons und damit eine wie sie sagt deutlich niedrigere Verzinsung als bei vergleichbaren Finanzierungsinstrumenten. Verkauft wurde das Schuldscheindarlehen zwar schon im Dezember 2020, die 200 Millionen Euro fließen dem Unternehmen aber erst im Januar 2021 zu und fallen somit nicht mehr in die Bilanz 2020.

Buy and Hold ist derzeit ein Nachteil

Bisher galt die fehlende Handelbarkeit von Schuldscheindarlehen als Vorteil. Schließlich ersparen sich Käufer dadurch die mühsame und bilanzwirksame Mark-to-Market Bewertung. Schuldscheindarlehen dürfen Zeit ihres Lebens zu Anschaffungskosten bewertet werden, es sei denn, eine dauerhafte und nachhaltige Wertminderung etwa im Fall der Insolvenz der Emittentin tritt ein. Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. Was bisher ein Vorteil war, belastet das Schuldscheinsegment derzeit. Die Zeiten sind unsicher geworden, und die Corona Maßnahmen lasten schwer auf vielen Bereichen der Wirtschaft. Es ist nach wie vor nicht absehbar, wie das wirtschaftliche Leben weiter geht, wer die negativen Auswirkungen wie und in welcher Wucht zu spüren bekommt und welche Unternehmen in existenzielle Not geraten werden. Das müssen dabei keineswegs Unternehmen sein, die als Emittenten am Schuldscheinmarkt aktiv sind. Es reicht, wenn viele kleine Kreditnehmer von Volksbanken und Sparkassen ihre Kredite nicht mehr tilgen können. Schließlich sind Sparkassen und Volksbanken die wichtigsten Käufer von Schuldscheindarlehen, und sie müssen sich langsam aber sicher Sorgen um ihre Kreditportfolien und ihre Liquidität machen. Für Buy-and-Hold Papiere, die im Krisenfall nicht verkauft werden können, und die nicht als Liquiditätsreserve dienen können, sind das keine guten Voraussetzungen. Hinzu kommt die Inflationsangst, die durch bisher nicht da gewesene Staatsverschuldung und Zentralbankaktivitäten geschürt werden.

Ernsthaftes Greenwashing Problem im Schuldscheinmarkt

Der deutsche Schuldscheinmarkt leidet unter einem ernsthaften Greenwashing Problem. Immer mehr sogenannte ESG-gelinkte Schuldscheindarlehen kommen auf den Markt, die Investoren mit ihrem Produktnamen in die Irre führen.

Erlöse fließen nicht in ESG Projekte

Die erste Sache, die bei einer Reihe von Schuldscheindarlehen auffällt, die als „ESG-Schuldscheindarlehen“ verkauft werden ist, dass die Erlöse keineswegs in Projekte fließen, die grün, sozial oder nachhaltig sind. Die Erlöse aus dem Verkauf der Schuldscheindarlehen dienen entweder allgemeinen Unternehmenszwecken oder der Refinanzierung. Das widerspricht dem Gedanken der ESG-Anlage ganz klar. Schließlich wollen Investoren mit Finanzanlagen in grüne, soziale und nachhaltige Produkte einen aktiven Beitrag leisten.

Kupons an intransparente Ratings gekoppelt

Das zweite, vielleicht noch viel größere Problem ist, dass viele der seit 2019 immer beliebter werdenden ESG-gelinkten Schuldscheindarlehen an Ratings von ESG-Ratinggesellschaften gebunden sind, deren Kriterien und Ratings von externer Stelle nicht nachprüfbar ist. Die ESG Ratings etwa von Ecovadis oder ISS sind nicht öffentlich zugänglich. Es gibt dafür weder eine Benchmark, anhand derer ein Investor sehen könnte, ob ein entsprechendes Rating denn im Vergleich zu anderen Unternehmen der selben Branche gut oder schlecht ist, noch herrscht Transparenz in Bezug auf die Kriterien und Fragestellungen, anhand deren ein Rating vergeben wird. Stutzig sollten Investoren spätestens dann werden, wenn jedes Unternehmen, das mit ESG-gelinkten Schuldscheindarlehen auf den Markt kommt, behauptet, mit ihrem Rating unter den Allerbesten zu sein. Da die Ratings extern nicht nachvollziehbar sind und hier absolute Intransparenz herrscht, ist auch keine ordentliche Due Diligence im Vorfeld der Investition möglich. Investoren, die eine Emission, deren Kupon direkt an eine nicht überprüfbare Aussage gekoppelt ist, erwirbt, handelt möglicherweise sehr fahrlässig. Noch ein Detail am Rande für alle Investoren, die sich dessen nicht bewusst sind: Auch ESG Ratinggesellschaften arbeiten nach dem „Issuer Pays“ Modell, bei dem das geratete Unternehmen selbst Auftraggeberin und Zahlerin des Ratings ist.

ESG-Anteil an den Kupons ist lächerlich klein

Wie ernst kann es jemand mit dem Thema ESG meinen, der dafür pro Jahr maximal 0,02% aufs Spiel setzt? Immer häufiger konnten wir in letzter Zeit Emissionen sehen, deren Kupon um lächerliche zwei Basispunkte steigt, wenn das wohlgemerkt nicht nachvollziehbare ESG Rating fällt, oder um zwei Basispunkte sinkt, sollte das ESG-Rating steigen. Diese zwei Basispunkte Einsatz konnten wir beobachten bei der Emission von Faber-Castell im Februar 2020, bei Dürr im März 2020, Aurubis im Juni 2020, Indus im September 2020. Bei Voith waren es im Frühling immerhin 2,5 Basispunkte, aber immer noch lächerlich gering. Allzu viel Unterschied machen zwei Basispunkte im Kupon nun nicht gerade, und es zeigt auch nicht, dass Emittenten oder Investoren den ESG-Teil an dieser Emission sehr ernst nehmen. Vielmehr liegt der Verdacht nahe, es handelt sich um eine Marketing-Masche, deren Kosten und Risiken extrem überschaubar sind. Schließlich verkaufen sich Produkte, die einen ESG Bezug haben, viel besser als „normale“ Refinanzierungs-Schuldscheindarlehen.

Nicht bewertbare Produkte

Die – lächerlich kleine aber dennoch vorhandene – ESG-Kupon-Komponente ist eine Digitaloption und damit ein Derivat und komplexes Finanzprodukt. Derivate sind, wie schon ihr Name sagt, abgeleitet von anderen Basiswerten. In diesem Fall ist es das besagte ESG-Rating. Um ein Derivat allerdings korrekt bewerten zu können, ist es notwendig, die Parameter des Basiswertes zu kennen. Da sich das Rating nicht nachvollziehen oder unabhängig beobachten lässt, kann diese ESG-Option auch nicht bewertet werden. Im Schuldscheinmarkt herrscht zwar rein buchhalterisch die Bilanzierung zu Anschaffungskosten, ein seriöser Investor sollte trotzdem jederzeit wissen, was die von ihm gehaltenen Finanzanlagen wert sind. Diese Unmöglichkeit der Bewertung erhöht das Risiko der Finanzanlage und müsste damit zu einem Spreadaufschlag führen, anstatt das Produkt wegen seines ESG-Namens teurer zu machen.

Investoren werden in die Irre geführt

Einen Produktnamen so zu wählen, dass Investoren annehmen müssen, dass mit ihrem Kapital ein Beitrag zu Umweltschutz, sozialen Verbesserungen oder nachhaltiger Unternehmensführung geleistet wird, und dann diesen Investorenauftrag nicht annähernd zu erfüllen, ist eine höchst fragwürdige Praxis. Unternehmen, die sich dazu beraten lassen, ein solches Schuldscheindarlehen zu begeben, tun sich selbst damit kaum einen Gefallen. Arrangeure, die solche greenwashing Schuldscheindarlehen auf den Markt bringen, schaden damit am Ende dem Schuldscheinmarkt selbst, denn ernsthafte ESG Investoren werden diese Produkte nicht kaufen und den Schuldscheinmarkt als Ganzes hinterfragen. Schlussendlich leidet auch die Glaubwürdigkeit des ESG Themas, wenn wieder und wieder Greenwashing betrieben wird. Der Schuldscheinmarkt hat ein ernsthaftes Problem, und es ist an den Akteuren, hier wieder mehr Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Wahrheit an den Tag zu legen.